Das Trocknen der Zwetschgen -
Eine unveränderte Original Anleitung von Henriette Sander
aus dem Buch "Neues praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche" (1877)
Getrocknetes Obst ist im Haushalt und bei Krankheitsfällen von außerordentlichem Wert und hält sich jahrelang, wenn es gut getrocknet ist, weshalb man auch stets für einen hinreichenden Vorrat im Haushalt sorgt, um in obstarmen Jahren nicht in Verlegenheit zu kommen.
Besonders im Frühling, ehe frische Gemüse da sind und der Küchenzelltel dürftig ausgestattet ist, liefert das getrocknete Obst willkommene und gesunde Speisen.
Selbstverständlich nimmt man auch zum Trocknen nur reifes, gesundes Obst und verwendet schlechtes zur Essigbereitung, wodurch es ja auch nutzbar gemacht wird; kleine Zwetschgen werden ausgekernt und zu Mus gekocht.
Die getrocknete Zwetschge ist unstreitig am wertvollsten, wohlschmeckendsten und gesundesten von allem getrockneten Obst, muß aber recht reif und trocken sein, wenn sie auf die von Weiden ziemlich dicht und fest geflochtenen Trockenhorden gelegt wird.
Hat man Zeit und trocknet nicht in gar zu großen Quantitäten, so stellt man die Früchte aufrecht, mit der Steilseite nach oben, dicht nebeneinander; sie trocknen dann gleichmäßiger und nehmen weniger Raum ein.
Große Mengen von Zwetschgen in den Backofen in dicken oder dünnen Lagen zu schütten, wodurch das teilweise Verbrennen derselben und eine Vermischung mit Asche und Sand unvermeidlich ist, muß sehr widerraten werden.
Die lange andauernde, nicht zu starke Hitze in einem Backofen, aus welchem das gebackene Brot ausgezogen ist, genügt gewöhnlich, um die auf Trockenhorden liegenden Zwetschgen sehr gut zu dörren.
Nur ist es ein großer Unterschied, ob ein Backofen täglich oder nur selten geheizt wird.
Im ersteren Falle muß er erst nach dem Brotbacken mehrere Stunden abkühlen, ehe die Zwetschgen hinein geschoben werden, sonst verbrennen sie unfehlbar.
Die Hitze muß Anfangs so stark sein, daß die Zwetschgen unter der Einwirkung der selben gewissermaßen gar werden, aber nicht platzen und bei nach und nach verminderter Wärme eintrocknen, so daß sie hart sind, wenn sie aus dem warmen Ofen an die Luft kommen, nachher aber wieder elastisch werden.
Ist der Ofen zu heiß, so platzen die Zwetschgen, der Saft tritt aus und das gedörrte Fleisch verbrennt, deshalb ist die größte Aufmerksamkeit beim Trocknen erforderlich und zieht man die Zwetschgen lieber wieder aus, wenn man an dem Platzen derselben erkennt, daß der Ofen noch zu heiß ist.
Trocknet man in einem besonderen Trockenofen, so hat man die Regelung der Hitze mehr in der Hand, muß aber die Horden, wenn die Zwetschgen erst trocknen, oft umsetzen und an Stellen, wo die Früchte der größten Hitze ausgesetzt sind und also früher trocken werden, die trockenen Zwetschgen zu rechter Zeit abnehmen; denn es ist sehr selten, daß sie sämtlich gleichmäßig trocken werden, da sie meist von verschiedener Größe und Reife sind.
Ehe nicht alle Zwetschgen vollständig trocken sind, darf man auch kein frisches Obst in den Ofen bringen, denn die ausströmenden Dämpfe des selben erweichen die fast trockenen Früchte wieder und verhindern also das Dörren ganz und gar.
Findet man unter den getrockneten Zwetschgen am andern Tage noch viele weiche, so werden sie sorgfältig ausgeschieden und im Ofen oder auf einem luftigen Boden nachgetrocknet.
Sämtliches getrocknete Obst wird erst auf Tüchern dünn ausgebreitet in einer luftigen Kammer zum Nachtrocknen hingelegt, dann erst in losen kleineren Beuteln oder in Fässern aufbewahrt.